Ant vs. LaMelo – Part 2

Zwei fantastische Rookie-Saisons wurden gespielt. Jetzt stellt sich die Frage: Wer macht den nächsten Schritt?
Edwards vs. Ball

Während der Pandemie haben wir alle gelernt, dann und wann auch mal für eigentliche Selbstverständlichkeiten dankbar zu sein. Ich, zum Beispiel, war enorm dankbar für ein funktionierendes Paar Augen, mit denen ich ein elektrisierendes Duell um den Titel Rookie des Jahres in der NBA verfolgen durfte. Mit LaMelo Ball und Anthony Edwards bekam die Liga auf und abseits des Platzes eine gehörige Portion Style und Charakter injiziert. Von hochqualitativer Basketball-Unterhaltung ganz zu schweigen: Während der spätere Rookie of the Year LaMelo in Charlotte über den Court glitt und mit unkonventionellen Timings und Bewegungen immer wieder den Ball punktgenau in die Hände der Mitspieler pfefferte, attackierte in Minnesota die menschgewordene Abrisskugel Edwards jede Nacht so unbarmherzig den Korb, als hätte der zuvor seine Mutter beleidigt. Doch Rookie-Saison ist vorbei. Potential will bestätigt, nicht nur angedeutet werden. Wem gelingt das besser? Wer krallt sich den (komplett ausgedachten und deutlich weniger klangvollen) Titel “Sophomore of the Year”?

Damit uns die Glaskugel die Antwort auf diese Frage stellt, müssen wir sie zunächst mit den Beobachtungen aus der Debütsaison der beiden füttern. Sowohl für LaMelo Ball als auch für Anthony Edwards war das erste Jahr bei den Großen eine Geschichte mit zwei Hälften – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Für Ant waren es dabei ziemlich buchstäblich zwei Hälften: Er startete schlecht, fing sich etwas und legte dann eine katastrophalen Februar hin. Über die ersten 36 Spiele bis zum Allstar-Game-Urlaub verzeichnete er pro Spiel 14,9 Punkte, 4 Rebounds und 2,5 Assists bei horrenden Wurfquoten (37,1% aus dem Feld, 30,2% von der Dreierlinie). Nach der Pause zauberte er in den restlichen 36 Spielen jeweils 23,8 Punkte, 5,3 Rebounds und 3,4 Assists aufs Parkett bei Wurfquoten, die für das große Volumen an Wurfversuchen respektabel sind: 45,4 aus dem Feld, 34,9 von draußen. Auffällig: In besagten letzten 36 Spielen war er ligaweit auf Platz 11 der Spieler mit den meisten Punkten im letzten Viertel (6,9 Punkte, gute 50,8% Wurfquote) – umgeben von einer Menge ziemlich großer Namen.

Auch LaMelo startete eher schlecht als recht, ehe er am 30. Januar von der Bank kommend die späteren Champions Milwaukee komplett auseinander nahm. Damit läutete er einen brandheißen Lauf ein, der sich über 21 Spiele durch den Februar und März ziehen sollte. Dabei markierte er im Februar (März) pro Spiel durchschnittlich 20,1 Punkte (18,5), 6,2 Rebounds (5,3) und 6,7 Assists (5,4) und überraschte mit sehr guten Quoten von jenseits der Dreierlinie (40,7% und 46,5%). Die Stichprobe ist außerordentlich klein aber als vage Orientierung: In der vergangenen Saison schafften es genau acht Spieler, durchschnittlich 20+ Punkte, 6+ Rebounds und 6+ Assists aufzulegen. Die Frage, ob LaMelo eine solche Produktion über einen längeren Zeitraum als 22 Spiele generieren kann, konnte in seiner Rookie-Saison noch nicht beantwortet werden: Kurz nach der Allstar-Game-Pause brach er sich seine rechte Hand, verpasste 21 Spiele und fand nach seiner Rückkehr aufs Parkett im Mai nie wieder in seinen Rhythmus zurück. Dass es schlussendlich doch noch zum ROTY-Gewinn reichte, wird bei einem Blick auf seine Highlights verständlich.

Doch auch Anthony Edwards war alles andere als langweilig. Ich mein’, der Junge hat sogar Interview-Highlight-Tapes. Viel wichtiger für die Timberwolves ist jedoch, dass er dieses Selbstbewusstsein auf dem Court mit seiner unglaublichen Athletik kombiniert und gegnerische Verteidigungen terrorisiert. Und auch Ant kann kann mit verheißungsvollen, kleinen Stichproben glänzen: In den Spielen 60-70 der Saison sammelte er durchschnittlich 24,4 Punkte, 7,2 Rebounds und 4,1 Assists bei einer Wurfquote von 50% – in diesen Zeitraum fällt auch sein wohl bestes Spiel gegen die Memphis Grizzlies.

Über die gesamte Saison hinweg schafften genau neun Spieler einen Schnitt von 24+ Punkten bei 50+% Wurfquote: Auch hier kann man getrost von elitärer Gesellschaft sprechen.

Dass Edwards seine überragende Explosivität so gut als Waffe einsetzen kann, liegt vor allem an einer etwas weniger offensichtlichen Fähigkeit. Häufig erkannte er vor allen anderen neun Spielern auf dem Parkett kleinste Lücken in der Defensive, in die er sich zwängte oder die er mit Dampf sprengte. Dazu gehört ein gehöriges Maß Spielverständnis, Reaktionsschnelligkeit und Wissen über die eigenen körperlichen Fähigkeiten – typischerweise eher keine Qualitäten von Rookies. So überrascht es nicht, dass fast 40 Prozent seiner Würfe direkt am Korb stattfanden und auch hier noch Lerneffekte auftraten: Gegen sortierte Verteidigungen fehlte ihm zu häufig das richtige Timing beim Absprung sowie die Orientierung und Ruhe in der Luft. Vor der Frühjahrspause traf er auch deshalb nur schwache 53% rund um den Ring, während er danach starke 64,5% hinlegte; obwohl er sein bereits hohes Volumen nochmal zu durchschnittlich fast 7 Würfen am Korb ausgebaut hatte.

Ein hohes Volumen hat Edwards auch jenseits der Dreierlinie, allerdings mit deutlich weniger Erfolg. Von den 8,2 Würfen, die er nach der Allstar-Game-Pause von draußen genommen hat, versenkte er nur 34,9% – das ist in dem Zeitraum Platz 78 von 105 Spielern, die durchschnittlich mehr als 5 Dreierwürfe pro Spiel genommen haben. Für Ant ist ein konsistent erfolgreicher Dreierwurf ein elementarer Bestandteil seines Spiels: Ohne ihn können ihn Gegner erst tief in der Zone verteidigen und ihm so die wichtigen Lücken für den explosiven Drive nehmen.

Wie wichtig der Wurf für Ant ist, wird auch am Beispiel der Mitteldistanz deutlich. Mal abgesehen davon, dass die Statistik-Nerds den Midrange-Jumper generell gerne verbieten würden: Als Rookie traf der 20-Jährige nur 26,2 Prozent aus dieser Entfernung – einer der wenigen Bereiche, in dem er sich auch nach der Pause nicht verbesserte. Und so freut sich jede Verteidigung, wenn Edwards auf den Zug zum Korb verzichtet und sich für einen langen Mitteldistanzwurf entscheidet. Dabei kommt es schlussendlich nur darauf an, dass er diese Würfe solide trifft. Denn egal, ob die Defense ihm diesen Platz lässt, oder er ihn sich durch seine Explosivität und Dribble-Moves verschafft: Freie Würfe sind kostbares Gut in der NBA und dürfen nicht so verschenkt werden, wie Edwards es in der Saison 20/21 getan hat.

 

Effektivität am Korb und Schwächen beim Sprungwurf – ein Spiegelbild von LaMelo Balls Wurfquoten. Auch er war nicht konstant, aber: Dass Melo im Februar und März 55 seiner 129 Dreier trifft (42,6%), konnte durchaus als erhebliche Überraschung gewertet werden, nachdem sein “Wurf” bereits vor seiner ersten NBA-Minute seziert wurde. Für LaMelo und die Hornets ist das ein absoluter Segen, denn so kann der 20-Jährige dem Team helfen, auch ohne den Ball in den Händen zu haben. Vor allem Gordon Hayward profitiert zudem enorm davon, dass Ball das Parkett in die Breite zieht.

Bewahrheitet hat sich in seiner Debütsaison dagegen die prophezeite Schwäche am Korb. Was in der Form wahrscheinlich sogar noch harmloser klingt als es tatsächlich ist. 35 Guards haben in der abgelaufenen Spielzeit durchschnittlich viermal oder öfter versucht, am Ring abzuschließen. Weniger erfolgreich als LaMelo Ball (54,4%) war dabei nur Malcom Brogdon (53,2%). Aber: Der Rookie zeigte, wenn er im Pick and Roll den Korb attackierte, gar keine so schlechten Ansätze. Gute Dribble-Moves, ein koordinierter Spin-Move und ein geschmeidiger Euro-Step sind hervorragende Werkzeuge, um die bedrückende Enge der Zone zu navigieren. Was ihm fehlte war schlicht die Masse. Zu einfach gelang es Verteidigern, LaMelo schon mit sanftem Kontakt dazu zu zwingen, seinen Abschlussversuch grundlegend zu verändern. In den kompetenten Händen von professionellen Fitnesstrainern und Ernährungsberatern hält den 20-Jährigen nichts davon ab, stabiler und resistenter zu werden.

Stabiler muss Melo auch im Umgang mit dem Ball werden. Klar, bei so einem Hochrisiko-Passer, der einem einfache Punkte aus dem Nichts bescheren kann, lebt man einfach mit dem einen oder anderen Turnover. Doch viel zu oft schenkte Ball seinen Kumpel Spalding viel zu leichtsinnig her.

 

Mit viel Goodwill kann man alle Turnover in diesem Video auf mangelnde Erfahrung zurückführen. Aber gerade die ersten beiden Clips zeigen, dass selbst auf dem Court Style niemals komplett von Funktion getrennt werden kann. In Rückstand liegend bei einem 2-gegen-1-Fastbreak etwas zu probieren, das verdächtig nach dem Ellbogen-Pass von White Chocolate aussieht, nur um nach dem Ballverlust auf der eigenen Seite den Dreier zu kassieren, ist … unglücklich. Sonst zeigen diese Ausschnitte einiges an klassischer Rookie-Hektik, sei es beim Pass oder beim Widerwillen, ein gut verteidigtes Set oder Pick and Roll abzubrechen. Hornets Coach James Borrego identifizierte das unlängst als “nächsten Schritt” auf dem Weg des Point Guards: Viel seines Erfolges im Rookie-Jahr sei auf Instinkt und Gefühl zurückzuführen und für stabileren Erfolg müsse Ball jetzt die Offensive dirigieren können und wissen, wann man aufs Gaspedal drückt und wann auf die Bremse.

Dass man hier aber eher von einer Frischling-Malaise sprechen kann, also von speziellen, unheilbaren Problemen, zeigt, dass auch Edwards sehr selten die Bremse gefunden hat. Beide Spieler finden sich am Ende einer 56-Spieler-langen Liste wieder, die Effektivität als Ballführender im Pick’n’Roll misst. Die Gründe dafür sind mittlerweile deutlich: LaMelo kann kaum einfache Punkte am Korb sammeln, wenn sein Gegenspieler durch einen Screen ins Hintertreffen geraten ist. Und seine Pässe landen noch zu oft in den Händen der Widersacher. Edwards lässt sich von guten Verteidigern zu häufig zu schlechten Würfen zwingen – und die vielen offenen Chancen, die er sich erarbeitet oder die ihm die Defensive bereitwillig anbietet, vergab er kläglich. Und auch für Edwards muss das Spiel langsamer werden, damit sein Gehirn nicht als Panik-Reaktion “WURF!” ausgibt: Auch er zeigte gute Ansätze im Pick’n’Roll, ließ Gegenspieler auflaufen oder frierte sie mit Hesitation-Moves ein. Doch eine Pass-Rate von nur 28,8% bei Drives zum Korb (56/58 unter Spielern mit 10+ Drives pro Spiel) ist schlicht inakzeptabel, wenn der wahrscheinlich offensiv-talentierteste Center der NBA-Geschichte für ihn die Blocks stellt.

Wer diese Hausaufgaben in der spielfreien Zeit am besten erledigt hat, wird sich ab dem 20. Oktober zeigen, wenn sowohl die Hornissen als auch die Timberwölfe (?) in die neue Saison starten. Abgesehen von Defense (über die in diesem Text der Mantel des Schweigens gelegt wurde, obwohl beide gute körperliche Maße und Voraussetzungen haben): LaMelo hat wohl den “leichteren” Weg, seine Wachstumsbeschwerden abzulegen, wenn er körperlich und mental mehr Reife erreicht und aufs Parkett bringt. Edwards ist einen verlässlichen Jumpshot davon entfernt, NBA-Verteidigungen vor unlösbare Probleme zu stellen – doch viel häufiger als nicht materialisiert sich diese Hoffnung nicht. (Kawhi bleibt hier als strahlendes Beispiel nach wie vor die Ausnahme der Regel.) Doch bei den Fortschritten, die der Nummer-Eins-Pick in seiner Debütsaison gemacht hat, erscheint es unklug an Ant zu zweifeln. Trotzdem: Legt LaMelo eine 20/6/6-Saison bei solider Effizienz hin, würde meine ausgedachte Sophomore-of-the-Year-Trophäe wahrscheinlich nach Charlotte gehen. Dass Edwards etwas aufs Parkett brennt, was da konkurrieren könnte, spricht für das Talent beider Spieler.

Anthony Edwards hat laut den Timberwolves derweil schon einen messbaren Erfolg in der Off-Season einfahren können: Er soll von 6’4’’ (1,93m) auf 6’6’’ (2,01m) gewachsen sein. Dem Trainerstab gibt das noch mehr Möglichkeiten für Lineup-Flexibilität und Edwards selbst die Chance, weiterhin extrem … Ant-ig zu sein. Coach Finch erzählt, dass der 20-Jährige diesbezüglich unlängst mit einer Warnung an ihn herangetreten sei: “Lass mich nicht 2 Meter groß werden”, zitiert Finch ihn, “oder ich werde zu Michael Jordan.” Den Coach und die Minnesota Timberwolves würde das wohl am allerwenigsten stören.

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